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Martine Le Normand - Artiste Peintre
Eingerostete Papiere



- Können Sie sich vorstellen?

Ich zeichne und male seit ich einen Bleistift und einen Pinsel halten kann. Ich war ein Einzelkind und verbrachte zahlreiche einsame Stunden damit, Gedichte zu schreiben und zu zeichnen, meistens Blumen und sehr bunte Bäume. Farben taten mir gut.


- Haben Sie haben Sie seit Ihrer Kindheit nie aufgehört zu zeichnen?

Es gab in meinem Leben einige Zeiten, in denen ich viel malte; das waren die glücklichsten Zeiten. Manchmal hörte ich damit auf, um Sprachen, Journalismus, Psychologie, Psychoanalyse zu studieren, oder Bücher zu schreiben. Ich war sehr oft unterwegs. Deshalb konnte ich mich in keinem Kunstatelier niederlassen.
Das viele Reisen hat vermutlich mein Gedächtnis darin geübt, ein mentales Reisetagebuch zu schreiben. Darin sind, wie archäologische Schichten, zahllose Bilder gespeichert, nach denen ich heute, wie in einem Traum, greifen kann.


- Wie haben Sie sich dafür entschieden, Ihre Papiere «verrosten zu lassen», wie Sie es nennen?

Ich habe Stunden damit verbracht, die Art und Weise, wie die in meinem Garten gelagerten Stahlscheiben langsam rosteten, zu beobachten. Diese Oxidation, die langsam dieses so starke Material eroberte, war faszinierend. Ich mochte jeden Farbton, von Gelb bis Schwarz über Orange. Ich schätzte die sich ständig verändernde Kartographie. Ich denke, dass ich damit wiedergefunden habe, was ich mir als Kind vorgestellt hatte, als ich die Wolken beobachtete. Also hatte ich Lust, damit meine Papiere zu färben.
Ich habe natürlich herausgefunden, dass Papier nicht rostet. Aber Oxidation kann es schwarz machen und «auffressen», wenn ich das Papier zu lange in Kontakt mit dem Metall lasse. Ich muss ihren Fortschritt kontrollieren, damit ich sie stoppen kann, wenn etwas im laufenden Prozess zu mir «spricht». Etwas, mit einer besonderen Schönheit, das die Lust zu malen auslöst. Etwas, das die versteckten Erinnerungen in den dunklen Ecken meines Gedächtnisses, die vergilbten Bilder meiner mentalen Tagebücher, erweckt.


- Ist es wirklich nötig Farbe hinzufügen?

Am Anfang griff ich sehr wenig ein. Ich wagte es nicht, den Prozess rückgängig zu machen und diese Schöpfung der Natur zu beschädigen. Nach und nach änderte ich meine Methode. Ich habe jetzt Lust meinen eigenen «Stempel» aufzudrücken. Ich komponiere, suche ein Gleichgewicht zwischen Zwang und Improvisation, füge Farbe und Form hinzu. Ich moduliere je nach meiner Inspiration und Intuition. Manchmal bedecke ich einen großen Teil des Rostes mit Acryl und Aquarell, weil er mir schließlich in den Weg kommt. «Die Kunst, das ist der Mensch hinzugefügt zur Natur» sagte Van Gogh.


- Früher haben Sie das den Begriff «Foto» als Metapher benutzt. Sind Sie auch Fotografin?

Ja, seit sehr langem. Ich fotografiere oft verwaschenes Holz, abgeblätterte gestrichene Flächen, eingerostete Metallstücke, die beim Recycler zu finden sind, da ich sehr beeindruckt von ihrer besonderen Schönheit bin. Eine ihrer gemeinsamen Besonderheiten ist der Abdruck der vergangenen Zeit.
Mit meinen Bildern und Fotos habe ich mich, ohne es zu wissen, einer japanischen philosophischen Bewegung aus dem 12ten Jahrhundert angeschlossen. Sie beruht auf zwei Grundsätzen: Wabi (Einsamkeit, Einfachheit, Natur, Asymmetrie, etc.) und Sabi (Zeitveränderung, Patina, Geschmack für alte Dinge, etc.) Wabi-Sabi ist insgesamt ein ästhetisches Konzept und eine spirituelle Einstellung.
Bei Wabi handelt es sich um die Demut, die angesichts von Naturvorgängen gefühlt werden kann. Bei Sabi geht es um das Gefühl, das empfunden wird, wenn man mit der Arbeit des Menschen oder der Zeit konfrontiert wird.
Wenn ich eine künstlerische Bewegung wählen müsste, wäre es diese. Ich bin ihr unbewusst beigetreten und sie ist eine Antwort auf meine «Japansehnsucht». Ich fühle mich in Japan immer zu Hause!


- Bedeutet das, daß Sie sich von anderen Malern oder Bewegungen inspirieren lassen?

Nein. Meiner Meinung nach dreht sich Malerei um Spaß an der Erschaffung. Ich habe mich seit Jahren viel von Ausstellungen und Malereibücher «ernährt». Ich schätze zahlreiche Maler und Stile aus verschiedenen Epochen. Sie haben in mir sicherlich etwas verändert und ich werde natürlich beeinflusst, auch wenn ich nicht weiß, von wem! Aber es gefällt mir nicht, mich von jemand anderem inspirieren zu lassen, oder Landschaften und reale Objekte darzustellen.
Wenn ich zufällig ein Bild mit einer präzisen Idee im Kopf anfange, wird sich diese Idee im Laufe des Prozesses immer verändern. Ich suche einen Weg zu einer persönlichen äußerung. Ich suche meine eigene Sprache, damit ich eines Tages herausfinden kann, welcher mein Stil ist!


- Warum haben ihre Bilder keinen Titel?

Ich möchte, dass alle «erfinden» können, was sie sehen. Einige Betrachter lassen mich in meinen Bildern neue Bedeutungen, Geschichten und Beziehungen entdecken, die ich vorher nie empfunden hatte. Jedes Mal, wenn ich jemanden neue Gedanken und Gefühle empfinden lassen kann, habe ich mein Ziel erreicht.


- Denken Sie, Ihre Kunst hat etwas mit ihrem Beruf als Psychoanalytiker zu tun?

Malen ist ein Mittel in sich selbst zu «reisen», damit man sich aller Dinge bewusst wird, die in sich selbst ruhen oder sich regen. Die meisten meiner Bilder erstaunen mich derart, wie es jeden überraschen würde, was er während einer Psychotherapie über sich selbst herausfinden könnte!

NF.